Können sie mich verstehen?

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Von Carl Huijskens in ”Über Akustik“

Immer und überall, wo wir sind, umgeben uns Geräusche. Echte Stille gibt es kaum noch.

Für die Kommunikation mit unseren Mitmenschen ist es von essentieller Bedeutung, dass wir einander verstehen. Zu Hause, bei der Arbeit, aber auch an anderen Orten, wie zum Beispiel im Restaurant oder im Theater. Doch jeder von uns hat schon einmal eine Situation erlebt, in der wir unser Gegenüber nicht, beziehungsweise nicht gut verstanden haben. Solche Situationen kommen überall vor.

Für die Messung der Sprachverständlichkeit stehen verschiedene Methoden zur Verfügung.

Zwei Niederländer, Houtgast und Steneke, haben Ihre Arbeit beispielsweis dem STI (auch RASTI genannt) gewidmet. Dieser weltweit gebräuchliche Speech Transfer Index gibt auf einer Skala von 0 bis 1 die Sprachverständlichkeit an. Leider bestätigen bei dieser Methode jedoch Ausnahmen die Regel. Eine vielleicht bessere (und ältere) Methode stammt ebenfalls von einem Niederländer, nämlich Victor Peutz. Diese in der Praxis mittlerweile nicht mehr eingesetzte Methode basiert auf der Ermittlung der Anzahl Konsonanten, die nicht verstanden werden.

In vielen akustischen Situationen kommt es hingegen darauf an, dass das Gesprochene NICHT verstanden wird, zum Beispiel wenn ein Gespräch vertraulich bleiben oder andere Personen nicht ablenken soll. Ablenkungsgrund Nummer eins bei der Arbeit ist erwiesenermaßen Sprache. Wenn das Gesprochene jedoch nicht verstanden wird, werden andere Personen hierdurch auch nicht abgelenkt.

Ein Rechenmodell, mit dessen Hilfe wir ermitteln können, in welchem Masse Sprache nicht verstanden wird, ist der SIL (Speech Interference Level). Mit Hilfe des SIL werden in erster Linie Hintergrundgeräusche gemessen, die die Sprachverständlichkeit beeinflussen.

Diese Variable wird von Unternehmen jedoch leider stark unterschätzt, oder ist sie gänzlich unbekannt. Zahlreiche Untersuchungen weltweit haben jedoch ihren Einfluss auf die Arbeitseffizienz nachgewiesen. Aber Hören ist bekanntlich nicht gleichbedeutend mit Verstehen!

Das beste Mittel zur Beurteilung der Sprachverständlichkeit ist immer noch unser eigenes Gehör. Diese Methode und vor allem das aktive “Zuhören“ werden in der heutigen Zeit jedoch immer weniger genutzt. Wir hören zwar, aber wir hören kaum noch zu und begreifen dadurch immer weniger von dem, was wir aufnehmen. Schließen Sie einfach mal die Augen, drehen Sie sich ein paar Mal im Kreis und konzentrieren Sie sich. Das menschliche Gehör ist, genau wie unsere anderen Sinne, ein äußerst empfindliches und exaktes Instrument.

Nicht ohne Grund wird die beste Akustik beim Bau von Konzertsälen und Opernhäusern auf der Basis von Gebäuden in der ganzen Welt konzipiert, deren Akustik von Zuschauern und Darstellern als “sehr gut“ beurteilt wird – und dies, obwohl Akustikberatern heutzutage immer mehr technische Messmethoden und Rechenmodelle zur Verfügung stehen. Tatsächlich bilden in der Praxis die gemessenen Parameter bestehender Gebäude die Grundlage bei dem Entwurf neuer und der Verbesserung bestehender Säle.

Hören, Zuhören, Verstehen und Akzeptieren – diese Prinzipien bilden nicht nur die Grundlage für Akustikanalysen, sondern auch für zwischenmenschliche Beziehungen. Ein einfaches und dennoch schwieriges Prinzip, denn das echte Zuhören sind wir einfach nicht mehr gewohnt!

Carl Huijskens | Incatro

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